Arthrose
Warum man Knieschmerzen immer ärztlich abklären muss
- Von Dt. Gesellschaft für Endoprothetik, LGO
- Bewegung
- 11.08.2020
X- oder O-Beine erkennt man auf Anhieb – mit dieser Vermutung liegt man manchmal daneben. Viele Fehlstellungen bleiben unerkannt und das hat gravierende Folgen, teils ist später sogar ein künstliches Kniegelenk nötig. Besonders junge Erwachsene, die nach längerem Gehen oder Joggen an Knieschmerzen leiden, sollten zum Arzt.
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Das Problem bei X- und O-Beinen ist die Fehlbelastung. Diese kann zu einem frühzeitigen Verschleiß der Knorpel am Kniegelenk führen. Der Knorpelschwund zieht oft schmerzhafte Gelenkarthrosen nach sich – der häufigste Grund für die Implantation eines künstlichen Kniegelenks. Wird die Fehlstellung früh erkannt, können Schuheinlagen, Physiotherapie oder eine Umstellungsoperation helfen, Folgeschäden zu vermeiden und einen Gelenkersatz möglichst lange hinauszuzögern, betont die
AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V..
Doch Betroffene sind sich selbst größerer Fehlstellungen ihrer Beine oft nicht bewusst. „Wir raten deshalb dringend, schon leichtere Beschwerden, etwa einen Anlauf- und Belastungsschmerz beim Aufstehen oder Treppensteigen, abklären zu lassen“, betont Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. „Denn diese Beschwerden sind oft Frühwarnzeichen für eine
Überlastung von Kniegelenken, Knorpeln und Menisken.“ Rechtzeitig erkannt, könne der Gelenkknorpel möglicherweise noch gerettet werden.
X- und O-Beine sind keine Seltenheit
Optimal ist eine gerade Beinstellung. Hier liegen die Mitte von Hüfte-, Knie- und Sprunggelenk auf einer Achse. Mit Ganzbeinröntgenaufnahmen, die im Stehen angefertigt werden, bestimmen Ärzte Abweichungen der Beinachse gradgenau. Einen ersten Eindruck über seine Beinstellung könne sich jedoch jeder vor dem Spiegel, mit kurzer Hose oder Leggings bekleidet, verschaffen. „Die meisten Menschen haben von Natur aus leichte X- oder O-Beine“, sagt Prof. Dr. Florian Gebhard, Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Ulm. „Verursachen sie keine Beschwerden, bedürfen sie in der Regel keiner Behandlung.“
Bei einer X-Bein-Stellung weichen Unterschenkel und Füße von der Ideallinie nach außen ab, die Knieinnenseiten berühren sich, nicht aber die Fußknöchel. Dadurch werden die Außenseiten des Kniegelenks zu stark belastet. Bei O-Beinen haben die Fußknöchel Kontakt, die Knie stehen jedoch weit auseinander. Die Hauptlast liegt hier auf der Innenseite der Kniegelenke. Die Folge beider Achsabweichungen: frühzeitige
Kniearthrosen.
Fehlstellung korrigieren
Die Therapie besteht zunächst im Tragen von Einlagen und Schuhaußen- beziehungsweise Innenranderhöhungen, die die Überbelastung ausgleichen sollen. „Des Weiteren empfehlen wir gezielte Physiotherapie zur Stellungskorrektur und Kräftigung der beteiligten Muskelpartien rund um das Kniegelenk“, so Heller. Wichtig sei auch, bei
Übergewicht abzunehmen.
„Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um die Lasten besser zu verteilen, lohnt es sich oft, die Beinachse operativ zu begradigen“, führt Heller aus. Bei der sogenannten Umstellungsosteotomie sägt der Chirurg den Knochen zu 90 Prozent durch und klappt ihn so weit auf, dass die Beinachse wieder stimmt. Die dabei entstandene Lücke ist oft so gering, dass sie von alleine zuwächst. Alternativ kann der Arzt den Leerraum mit patienteneigenem Knochen aus dem Beckenkamm oder künstlichem Knochenmaterial füllen. Anschließend stabilisiert er das OP-Gebiet mit einer Platte, die er nach Abschluss der Heilung wieder entfernt. Bei O-Beinen findet die Korrektur meist am Schienbeinknochen statt, bei X-Beinen auch am Oberschenkelknochen.
„Eine Osteotomie ist ein sehr hilfreicher und bewährter Eingriff, um den Gelenkknorpel in möglichst gutem Zustand zu erhalten und damit eine Knieprothese hinauszuzögern“, bestätigt Gebhard. „Wegen des besseren Heilungspotentials tendieren wir jedoch dazu, eher jüngere Patienten damit zu versorgen.“ Die Operation ergäbe allerdings nur Sinn, solange die Arthrose nicht stark fortgeschritten sei. "Deshalb ist es wichtig, den Eingriff rechtzeitig in Erwägung zu ziehen. Ein Kunstgelenk stellt immer den letzten Ausweg dar“, erklärt Heller.